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Sommerinterview

Sommerinterview

Veröffentlicht
08. September 2018

Verfasst von
Creative Arts Group

Tags
Allgemein | News 2018

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2007 bis 2009 - Die ersten Gehversuche

Wir befragten im Rahmen des Sommerinterviews den Vereinsvorstand - Timo White, Claudia Freitag und Jörg Legens - zu den Anfängen der CAG. Hier ein Ausschnitt über die ersten Jahre 2007 bis zur Gründung des eingetragenen Vereins 2010.

CAG NEWS:
Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit nehmt, um ein paar Einblicke Eurer Arbeit zu gewähren. Zehn Jahre CAG – ein stolzes Jubiläum. Gerne würden wir die Zeit zurück drehen und über die Anfänge sprechen.

Claudia Freitag:
Das machen wir sehr gerne, wobei Jörg und ich hier weniger sagen können, da wir erst später dazu kamen.

CAG NEWS:
Das ist nicht schlimm – Ihr habt ja das eine oder andere selbst mitbekommen. Dann die Frage an Dich: Was hat sich in den ganzen Jahren getan, Timo?

Timo White:
Wo fange ich an? Vor 10 Jahren haben wir uns einfach keine Gedanken gemacht. (lacht) Ja, ich glaube, so kann man das am besten beschreiben.

CAG NEWS:
Dass Du Dir keine Gedanken machst, können wir uns nun kaum vorstellen. Du bist doch dafür bekannt, alles akribisch durchzuplanen, aber Deinen Kurs auch bei Wind und Wetter durchzusetzen.

Timo White:
Ja, mittlerweile ist das auch so. Wir sprechen heute aber auch über ganz andere Dimensionen und Verantwortlichkeiten. Gehen wir pleite, wäre das sehr schade, aber es würde auch für sehr viele Mitglieder ein soziales Vakuum entstehen. Die CAG bedeutet den meisten sehr viel. Das können wir nicht aufs Spiel setzen. Ich sehe uns als Vorstand schon in einer ziemlichen Verantwortung und das beeinflusst natürlich unser Handeln. Dadurch verliert CAG manchmal seine Menschlichkeit und erscheint häufig bürokratisch. Das ist die Kehrseite der Medaille, denn auch ich mache den Job nebenberuflich in meiner Freizeit. Da muss ich leider auf viel Schnick-Schnack verzichten und meine Entscheidungen auf Fakten basieren. Wie seht Ihr das? (an den Vorstand)

Claudia Freitag:
Ich bin 2014 in den Vorstand gewählt worden und bin immer noch erstaunt, was alles dazugehört. Es ist alles super spannend und ich merke, dass ich auch immer neues dazulerne. Timo hat hier völlig recht. Wir versuchen natürlich auf jedes Mitglied einzugehen und ich denke, dass wir das auch gut schaffen. Man muss aber trotzdem zugeben, dass man das eine oder andere Mal tief Luft holen muss. Andererseits sehen wir das aber so: Wenn Emotionen im Spiel sind, sieht man, dass die Mitglieder mit Herz und Seele dabei sind. Wie gesagt, das kann hin und wieder anstrengend sein, zeigt uns aber gleichzeitig, wie wichtig der Verein dem einzelnen ist.

Jörg Legens:
Mit dem "Tagesgeschäft" habe ich wenig zu tun. Als Kassenwart stehe ich ja nicht auf der Bühne...

Timo White:
...noch nicht...

Jörg Legens:
Das will keiner erleben! (lacht) Wie gesagt – ich stehe nicht auf der Bühne und habe da auch keine Ambitionen. Ich helfe mit meinem Wissen sehr gerne und unterstütze die gute Sache bei CAG. Die Mitglieder lerne ich bei Versammlungen und Partys kennen. Durch CAG ist man mit vielen ohnehin freundschaftlich verbunden. Ich muss Timo schon recht geben, dass es seit Gründung eines formell eingetragenen Vereins schon strenger zugeht, was aber verständlich ist. Ich kenne allerdings keinen anderen Verein, der strukturell so aufgestellt ist und in dem die Verantwortlichkeiten so sauber definiert sind. Jeder hat hier seine Aufgabe und ich denke, dass gerade die durchdachte Organisation, verbunden mit 10-jähriger Erfahrung, den Leuten Spaß macht.

CAG NEWS:
Das stimmt wohl. Keiner hat Lust, seine Freizeit im Chaos zu verbringen.
Gehen wir aber noch mal zurück zum Anfang. Wir haben jetzt viel über die Organisation gesprochen. Aber was war eines Deiner ersten Schlüsselerlebnisse, Timo?

Timo White:
Es mag für den einen oder anderen seltsam klingen, aber es war mein Glaube.

CAG NEWS:
Interessant. Ist es richtig, dass CAG zunächst Teil einer Kirche war?

Timo White:
Jain. CAG entstand unter dem Dach der englischsprachigen Kirche, der Christ Church Düsseldorf. Aber ich muss etwas ausholen. Sagen wir so: Ich hatte das große Glück, eine sehr junge Mutter zu haben. Viele wissen, wie es ist, ein Elternteil zu verlieren. Ich wurde kurz nach Ihrem Tod 33, meine Mutter war gerade mal 49. Das steckt keiner mal eben weg, aber es geht auch jeder anders mit Trauer um.

Claudia Freitag:
Dein Vater und Deine Geschwister waren für Dich da?

Timo White:
Natürlich – allerdings 1.100 Kilometer entfernt im Süden Irlands, wo sie seit 1997 lebten. Das hatte es nicht einfacher gemacht und ich habe in der Phase auch nicht immer rational gehandelt. Was ich eigentlich damit sagen will, ist, dass ich in der Phase Halt bei der Kirchengemeinde der Christ Church fand. Ich hatte dort 2006 den Chor als Dirigent bei einem weihnachtlichen Gottesdienst unterstützt und fand dort die Ruhe, die ich brauchte. Ich hatte plötzlich eine Aufgabe, denn ich konnte mit meiner Musik einen Beitrag leisten. Ich glaube, viele Musiker kennen das Gefühl, Emotionen durch Musik zu verarbeiten. Durch die Musik bekam ich nach vielen Jahren wieder Zugang zum Glauben und hatte plötzlich neue Kraft und Energie.

Jörg Legens:
Plötzlich wurde man Samstagabends versetzt, weil Timo Sonntagfrüh fit für die Kirche sein musste oder weil er plötzlich Kirchenlieder üben musste.

Claudia Freitag:
Im Ernst?

Timo White:
Schon. Ich habe die Musikleitung, Nicola McNutt, bei den Gottesdiensten unterstützt und wollte sie nicht hängenlassen. Kirchenlieder sind jetzt nicht anspruchsvoll, aber man kann sie hinrotzen oder vernünftig spielen. Wenn ich was mache, will ich keinen Lob haben, aber schon das Gefühl haben, dass es Menschen berührt. Ich hoffe, ich konnte das.

CAG NEWS:
Das heißt, Du warst ab 2006 als Kirchenmusiker bei Christ Church dabei? Wie kam aber die Richtungsänderung zum Musical?

Jörg Legens:
Er musste seinen Dachboden aufräumen!

Timo White:
(lacht) Richtig! Es gab bei mir zu Hause neue Brandschutzarbeiten und ich musste meinen Dachboden leer machen. Das nutzte ich, um Sachen wegzuschmeißen und hier und da für Ordnung zu sorgen.

Jörg Legens:
(lacht)

Timo White:
Dabei öffnete ich einen uralten Karton, in dem ich noch Sachen aus meiner Kindheit in England fand. Unter anderem ein Klavierauszug von "Greater Than Gold".

Claudia Freitag:
Das war doch das erste Musical, das CAG gemacht hat, oder?

Timo White:
Ja, aber es war zu dem Zeitpunkt gar nicht mein Ziel. Ich war 1986 in England in dem Stück als "David" aufgetreten und fand die Lieder passend für einen Gottesdienst. Naiv bin ich mit dem Vorschlag zu Nicola gegangen, die mich dann ganz begeistert Lynne Allen vorstellte. Lynne leitete zu dem Zeitpunkt die Sonntagsschule der Kirche und war ohnehin auf der Suche nach einem Musical für ihre Kinder. Ich spielte acht Takte des ersten Liedes und es wurde genehmigt!

Claudia Freitag:
Das meintest Du auch damit, dass man sich anfangs keine Gedanken gemacht hat. Ist schon ein krasser Unterschied zu den Machbarkeitsstudien, die wir heute betreiben, um zu sehen, ob ein Musical passt oder nicht – und hier reichten acht Takte aus. (lacht)

Timo White:
Ähnlich locker hatten wir die Entscheidungen ja bis 2012 gehandhabt. Aber dazu später mehr. Auf jeden Fall wuchs das Team und die Planungen konnten beginnen.

Claudia Freitag:
Unsere Catherine war doch auch dabei?

Timo White:
Catherine kam kurze Zeit später dazu. Lynne sprudelte mit Ideen und hatte alle mit ihrer Energie angesteckt. Catherine lernte ich im Herbst 2007 kennen, als es darum ging, bei einigen Liedern Tänze einzubauen. Ich liebte ihre Art zu arbeiten. Ich erinnere mich noch, dass ich mal scherzhaft zu Lynne sagte, dass Catherines Arbeitsmotto wohl "Don't worry, be happy" sei. Sie betritt den Raum und die Leute werden von ihrer Begeisterung angesteckt.

Claudia Freitag:
Das ist ja bis heute so geblieben. Catherine ist Vollprofi und das merkt man nicht nur am Ergebnis, sondern auch durch die Herangehensweise ihrer Arbeit. Ich habe bei der Academy den einen oder anderen Kurs bei ihr mitgemacht. Man ist körperlich sehr erschöpft, aber sprudelt trotzdem vor positiver Energie.

Timo White:
Und genau solche Leute brauchten wir, um das ganze aufzuziehen.

Jörg Legens:
Ich erinnere mich, dass ihr das Ensemble recht schnell zusammen hattet. Beim Orchester war es bis zum Schluss wackelig.

Timo White:
Das lag daran, dass wir als englischsprachige Gemeinde recht isoliert waren. Die Kirchenmitglieder und somit die Teilnehmer bei "Greater Than Gold" kamen aus dieser Gemeinschaft. Eifrige Teilnehmer fand man schnell und den Großteil konnten wir im Ensemble unterbringen. Den einen mehr nach hinten als den anderen (lacht). Aber so war das. Es ging darum, ein Hobby für jeden zu bieten und etwas aufzubauen. Wir hatten kein Casting, sondern sind proaktiv auf die Leute zugegangen. Es hat damals auch keiner geschimpft. Das wäre heute undenkbar. Vieles war einfacher. Das Orchester hingegen brach uns fast das Genick. Dafür hatte ich durch die Unterstützung meines Onkels, der damals Gründer und Besitzer von SLS war, kostenlosen Zugang zu Technik und zu einem Tontechniker.

CAG NEWS:
CAG besitzt doch heute ein Stammorchester von knapp 40 Musikern. Ihr wart, soviel wir wissen, aufgrund der Vorgaben aus dem Theater in Ratingen auf maximal 31 Musiker beschränkt. Ist das richtig?

Timo White:
Ja, das ist richtig. Die Feuerschutzbestimmungen beschränkten uns auf 31 im Graben. Sehr schade, denn wir hätten sonst heute locker 50 oder gar 60 Musiker. Hat man ja beim Weihnachtsauftritt 2015 gesehen. Das heißt, wir hatten es schwer, Nachwuchs aufzubauen. 2007 war das nicht anders – nur mussten wir von null anfangen. Wir hatten kein Netzwerk und wenige Ressourcen innerhalb der Kirche. Wir nahmen Kontakt zur International School Düsseldorf auf, aber auch das war nicht ergiebig. Letztendlich war es ein recht lustig zusammengeworfener Haufen von acht Leuten für ein Musical, welches zwölf Stimmen hatte. Eine Woche vor der Show sagte unser Schlagzeuger ab. Gott sei Dank hatten wir einen in der Kirche, der Hobbyschlagzeuger war und einsprang. Seine einzige Probe war aber die Generalprobe. Jetzt in Solingen haben wir Platz für über 90 Musiker. Das sollte für die nächsten Jahre reichen!

Jörg Legens:
Ich hatte schon bereut, Freunden Tickets geschenkt zu haben...

Timo White:
Nicht nur Du! Das war eine absolute Zitterpartie, denn er sagte zwei Tage vor der Generalprobe zu. Das ist eine Erfahrung, die prägt und die ich nicht nochmal machen möchte. (lacht)

CAG NEWS:
"Greater Than Gold" war ein Erfolg?

Timo White:
Finanziell holten wir das Geld rein und machten sogar ein paar hundert Euro plus. Als Kirche durften wir ja auch keine Gewinne erzielen. Von daher – woran bemisst man den Erfolg? Finanziell war es quasi eine Nullnummer aber das war uns nicht wichtig. Wichtig war, was wir geschaffen haben und wie wir Menschen bewegt haben. Ich kriege noch heute Nachrichten von Teilnehmern aus der Zeit, die noch in Erinnerungen schwelgen. Von daher – es war ein Erfolg.

CAG NEWS:
Nach "Greater Than Gold" kam "Joseph"?

Timo White:
Und die vielen Kinder!

CAG NEWS:
War das schlimm?

Timo White:
Für mich damals ja! Ich hatte null Erfahrung im Umgang mit Kleinkindern. Bedingt durch meine Arbeitszeiten konnten wir erst ab 19 Uhr proben. Das ist für ein Kind von 8 bis 10 Jahren einfach zu spät und entsprechend war dann auch die Konzentration nicht vorhanden. Pädagogisch wertvoll bin ich damals auch nicht immer mit dem Stress umgegangen. Würde ich heute anders regeln.

CAG NEWS:
Inwiefern?

Timo White:
Wir arbeiten aus gutem Grund heute selten mit Kindern. Nicht weil wir sie nicht wollen, sondern weil wir es vom Probenaufkommen nicht geregelt bekämen, dem gerecht zu werden. Das Jugendschutzgesetz ist hier sehr streng, was Probenzeiten angeht – aber auch was die Aufführungen angehen. Da unsere Shows selten vor 23 Uhr vorbei sind, haben wir trotz Einwilligung vieler eifriger Eltern keine Möglichkeit.

Claudia Freitag:
Gesetz ist Gesetz. Jedes Kind braucht eine Arbeitserlaubnis von der Bezirksregierung. Dort ist genauestens beschrieben, was wir alles beachten müssen. Das ist eigentlich gar nicht vereinbar mit dem, was wir machen, weshalb wir irgendwann das Teilnahmealter auf 18 gesetzt haben, um ganz sicher zu gehen. Obwohl es ein Hobby ist, müssen wir da sauber arbeiten.

Timo White:
Soviel zu: Früher haben wir uns einfach keine Gedanken gemacht.

CAG NEWS:
Nach "Joseph" war plötzlich Schluss. Warum?

Jörg Legens:
Gab es da nicht die ersten Konflikte mit der Kirche?

Timo White:
Der Kirchenvorstand und ich waren nicht immer gleicher Meinung. Das ist richtig. Wir hatten bei "Greater Than Gold" auf der Bühne verkündet, dass "Joseph" unser nächstes Musical werden würde. Das fand das Publikum toll und klatschte begeistert, während der Kirchenvorstand im Publikum gerne vorher gefragt worden wäre. Aus heutiger Sicht, wo ich selber im Vorstand bin, kann ich das verstehen. Sehr gut sogar! Damals war das niederschmetternd, denn ich empfand das als undankbar. Wir wurden zum Gespräch eingeladen und die Wogen konnten geglättet werden. Man war schließlich nicht gegen ein weiteres Musical. Man wollte nur gefragt werden. Ein Formfehler also, der schnell geklärt wurde.

Jörg Legens:
Das war aber noch nicht alles!

Timo White:
Ich bin kein leichter Verhandlungspartner, wenn es um CAG geht, und das kam nicht immer gut an. Briten sind sehr diplomatisch und Deutsche eher direkt. Das kollidierte so manchmal (lacht) und baute Fronten auf, die sich während des "Joseph"-Projektes immer mehr verhärteten. Es war allerdings auch so, dass wir mehr Forderungen stellten, als die kleine Christ Church erfüllen konnte. Wenn ich heute Budgetverhandlungen mit unseren Teamleitern habe, muss ich mich oft an die Zeit erinnern, als ich mich auf deren Seite des Tisches befand. Damals sprachen wir allerdings von einem Dreißigstel (lacht) von dem, was wir heute für ein Projekt benötigen.

Jörg Legens:
Ende vom Spiel war, dass wir uns selbstständig gemacht haben.

Timo White:
Ja, aber dazwischen lag ja noch ein tolles Projekt mit viel Freude. Wir haben heute noch einige Musiker und Darsteller aus der "Joseph"-Zeit dabei. Aber auch hier sind wir völlig naiv an so ein Projekt gegangen. Ich hatte zum Beispiel Geigen und Celli rekrutiert, aber erst im Nachgang festgestellt, dass die Noten keine Streicherstimmen vorsahen. Also nahm ich Notenpapier und Bleistift und änderte Andrew Lloyd Webber Musik ab – mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags, wohlgemerkt.

CAG NEWS:
"Greater Than Gold" wurde im Dahms Theatre der International School Düsseldorf aufgeführt. Wie war das mit "Joseph"?

Timo White:
(holt ganz tief Luft) Ich möchte nicht schlecht über die Schule sprechen, aber uns drei Wochen vor der Show abzusagen, war nicht fair. Wir waren für zwei Aufführungen komplett ausverkauft und mussten handeln. Hier zeigte sich eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Christ Church, denn sie haben uns gerettet! Nach einiger Prüfung wurde die Kirche in ein Theater umgebaut. Die Fenster wurden mit schwarzer Teichfolie abgedunkelt, die Sakristei für das Orchester komplett abgebaut und der Aufgang zum Abendmahltisch durch eine Bühne um drei oder vier Meter nach vorne verlängert. Zusätzliche Stühle wurden von Gemeindemitgliedern besorgt. Es hat jeder, aber wirklich jeder, angepackt, um dieses Projekt noch zu ermöglichen, und ich bin bis heute unendlich dankbar, dass das geklappt hat. Mein Onkel mit SLS war hier maßgeblich an der Umsetzung beteiligt.

CAG NEWS:
So ein Musical braucht doch viel Technik. Wir kennen Christ Church jetzt auch. Wie war das möglich?

Timo White:
Es wurde auf ein Minimum reduziert und wir haben zu der damaligen Zeit noch gänzlich auf Bühnenbild oder Lichteffekte, wie wir sie heute nutzen, verzichtet. Wir hatten ein paar Strahler, um die Szenen bunt zu machen – was bei "Joseph" ja wichtig war – und das war's. Die Stromversorgung der Kirche war auch nicht für Konzertevents ausgelegt und wir mussten aufpassen, dass die Sicherungen nicht raussprangen.

CAG NEWS:
Stichwort Kabelbruch!

Timo White:
Mein armer Onkel. Er tut mir bis heute leid deshalb. Die Kirche hatte keinen Vorraum und die Besucher standen vor verschlossener Tür im Kirchengarten. Wenigstens hat es nicht geregnet. Der finale Soundcheck konnte nicht gemacht werden, weil im Hauptkabel ein Bruch war. Natürlich war kein Ersatz vorhanden, sodass die komplette Technik neu gezogen werden musste. Das war zehn Minuten vor Beginn der Show. Ich habe nur die Panik in seinen Augen gesehen und habe dann versucht, die immer ungeduldig werdenden Besucher zu beruhigen. Wir hatten ja auch viele ältere Herrschaften dabei, die nicht mehr stehen konnten. Ich hatte dann einigen erlaubt sich schon mal zu setzen, was wieder für Unruhe auf der anderen Seite gesorgt hat. Der Soundcheck wurde dann während des ersten Aktes gemacht! Hat keiner gemerkt.

Jörg Legens:
Es hat ja zum Schluss geklappt. Es war alles improvisiert, aber wirkte dadurch extrem sympathisch. Es lag aber auch daran, dass wir damals wohl ein Publikum mit 100% Bezug zu den Teilnehmern hatten. Wir haben keine Werbung gemacht, sondern hatten die Karten unter Freunden verkauft. Die beiden Shows waren nach zehn Tagen ausverkauft! Dafür flog Timos Dirigentenstab einmal quer durchs Publikum. (lacht)

Timo White:
Danke für die Erinnerung. Es war Mai oder Juni und extrem schwül in der Kirche. Als Dirigent schwitze ich ohnehin stark, weil ich unter Anspannung stand und mich dabei noch viel bewegen musste. Daher habe ich mir einen Ventilator aufgestellt, um für etwas Wind zu sorgen. Leider bin ich beim Dirigieren mit dem Stock durch das Gitter gekommen, sodass das Ende förmlich abgesägt wurde, der verbleibende Stab mir aus den Finger gezogen wurde und in einem hohen Bogen ins Publikum flog. Das hätte ins Auge gehen können – wortwörtlich – sorgte aber für viele Lacher, besonders bei den Bläsern, die für kurze Zeit Probleme mit ihrem Ansatz hatten. Shit happens.

CAG NEWS:
Und danach war Schluss?

Claudia Freitag:
Aus heutiger Sicht verständlich, aber so wie ich das erzählt bekam, wurde die CAG zu groß und zu aufwendig für die Christ Church. Die Samstagsproben hatten einen negativen Einfluss auf die Besucherzahl der Gottesdienste am Sonntag, weil die Familien sich für das eine oder andere entschlossen. Das führte zwangsläufig zu Gesprächsbedarf.

Timo White:
Wir wurden vertröstet.

Jörg Legens:
Zu Recht!

Timo White:
Natürlich zu Recht. Wir waren Teil einer Kirchengemeinschaft und unsere Arbeit richtete mehr Schaden als Nutzen an. Mein Argument, dass wir mit unserer Arbeit die Kirche offener für alle machten und gerade einer recht isolierten Gemeinde neue Möglichkeiten boten, wurde leider nicht so gesehen. Ich sehe es bis heute als Fehler, dass wir da keine gemeinsame Lösung gefunden haben.

CAG NEWS:
Aber CAG zählt heute zu den größten Musik- und Theatervereinen Deutschlands.

Timo White:
Das sagt man immer und vielleicht stimmt das auch. Zumindest wenn man das Live-Orchester und unsere Academy als Benchmark mit dazu nimmt und andere mit gleicher Ausrichtung vergleicht. Dann sind wir ganz oben. Aber es hätte auch anders funktionieren können, mit weniger Kopfschmerz, und das finde ich schade.

CAG NEWS:
Was ist passiert?

Timo White:
Ich kann nicht sagen, dass man uns geblockt hat. Man wollte CAG schon unterstützen, aber die Erfahrungen aus "Joseph" haben gezeigt, dass die Ressourcen der Kirche nicht vorhanden waren. Die kleine Gemeinde hatte aller Hand damit zu tun, den Kirchenablauf zu sichern, und das verstehe ich auch heute so. Damals hatte ich, nach zwei Jahren Arbeit mit meinen Leuten ein Team von knapp 100 Teilnehmern und Helfern, die weiter machen wollten.

Jörg Legens:
Du solltest doch zur Bibelstunde, oder?

Timo White:
Ach ja, richtig. Das war damals unglücklich formuliert, aber so war es. Man hat mir nahegelegt, mich mehr um mein Seelenheil zu kümmern als um Musicalprojekte. Man hatte Angst, ich würde ausbrennen und wollte einfach sichergehen, dass die Gemeinde für mich da war, um mich zu stützen. So denkt man halt in einer Kirche. Was man nicht bedacht hatte, war aber, dass ich ja eigentlich noch die Trauer um meine Mutter mit der Musik verarbeitet habe und ich eigentlich mein ganzes Tun ihr widmete. Jetzt wollte man mir das wegnehmen und mich, salopp gesagt, in eine Bibelstunde stecken. Man hat damit eigentlich das genaue Gegenteil bewirkt und mich in Abwehr gebracht.

Claudia Freitag:
Ich bin immer wieder erstaunt, welche Stories so mit der Gründung der CAG zusammenhängen. Ich kann die Sorge des Pfarrers nachvollziehen. Das Hobby ist ja schon sehr aufwendig und Du bist eine treibende Kraft. Dich aber vor die Wahl zu stellen, Bibelstunden zu nehmen, um ein Musical zu machen, konnte nur nach hinten losgehen.

Timo White:
Wie ich sagte, es war einfach blöd formuliert und ich verstehe den damaligen Pfarrer heute auch. Ich verstehe aber auch, dass die kleine Gemeinde den Aufwand von "Joseph" nicht noch mal erleben wollte. Erinnert Euch, dass wir eine ganze Kirche in ein Theater umgebaut haben. Das englische Sprichwort "It'll be alright on the night" hat zwar geklappt, aber das man das kein zweites Mal wollte, kann ich gut verstehen.

CAG NEWS:
Du hast aber trotzdem versucht, mit "Jesus Christ Superstar" ein weiteres christliches Musical umzusetzen, und wurdest abgelehnt.

Timo White:
Es ist kein christliches Musical. Es so zu nennen, wäre falsch. Andrew Lloyd Webber und sein Texter Tim Rice haben ja in 70er Jahren bewusst damit provozieren wollen. Judas als Hauptakteur zu benennen, der die letzten Tage Jesu aus seiner Sicht erzählt, war mit unserer anglikanischen Gemeinde nicht vereinbar. Jesus eine Liebschaft mit Maria Magdalena zu unterstellen völlig inakzeptabel. Zu behaupten, Jesus hätte Zweifel an Gottes Plänen mit seiner bevorstehenden Kreuzigung, würde den Glauben in Frage stellen.

Jörg Legens:
Bist Du doch Bibelforscher geworden? (lacht)

Timo White:
Das nicht, aber ich hatte mir mit der Wahl des Musicals nichts gedacht und wurde mit Gegenargumenten erschlagen, auf die ich nicht gefasst war. Aus diesem Grund habe ich dann selber auch meine Recherchen gemacht, zumal wir uns wenige Jahre später entschlossen, es dann doch als selbstständiger Verein aufzuführen. Seltsam ist allerdings bis heute, dass es von Kirche zu Kirche unterschiedlich aufgefasst wird. Selbst bei den Anglikanern. Das Musical wurde sogar bei den strengen Katholiken im Vatikan vorm Papst aufgeführt. Ich bin bis heute nicht wirklich schlau daraus geworden, warum es uns als Teil einer Kirche verwehrt wurde.

CAG NEWS:
Dann ist es vermutlich wirklich eine Sache der Auslegung und Interpretation. Was kam dann?

Timo White:
Christ Church wollte etwas Christliches, was ich aber nicht interessant fand. Das war 2009/2010, als die ersten großen Firmen ihre Expats zurückzogen oder sie nicht ersetzten.

CAG NEWS:
Expats?

Timo White:
Große Konzerne schicken ihre Mitarbeiter und deren Familien gerne mal für ein paar Jahre ins Ausland. Ein Großteil der Gemeinde bestand aus Expats. Das spürten wir als CAG auch und mussten andere Wege finden, unsere Musicalarbeit fortzusetzen. Mit christlichen Musicals sah ich da keine Zukunft, mit nichtchristlichen nur Konflikte mit dem Kirchenvorstand. Ich hatte ja auch Evita vorgeschlagen und ihre karitative Arbeit versucht als christlich zu verkaufen (lacht). Ich war sehr verzweifelt. Natürlich wurde es abgelehnt.

CAG NEWS:
Und dann?

Timo White:
Ich schrieb mit einer Freundin von CAG, Aurelle Pfeiffer, dass mich die ganze Situation sehr traurig macht und wir jetzt ein paar Jahre harte Arbeit in den Sand setzen. Irgendwann kam uns die Idee, dass wir als e.V. doch viel besser dran wären.

In der nächsten Ausgabe erfahrt Ihr, wie aus der Ur-CAG dann ein eingetragener Verein wurde.


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